THE REVENANT
Der Rückkehrer
Mit Leonardo di Caprio
Eines vorne weg – in der Regel gibt es an seinen Filmen wenig zu bemängeln und man könnte ihn sich durchaus als Schwiegersohn vorstellen. Natürlich ist kein Schauspieler 10-20 oder mehr Mio. Dollar für einen Film wert, dafür müsste er schon am Ende …
Zur Handlung: Leonardo ist für eine Gruppe von Männern, zusammen mit seinem indianischen Sohn im Westen der USA zu Beginn des 19. Jhd. als Scout unterwegs, um ihre Haushaltskasse mit Fellen aufzubessern.
156 Minuten schauspielerisch nicht wirklich überzeugend. Das dies auch für Leonardo möglich ist, wird hier gezeigt. Wer die Natur liebt und die Konflikte zwischen Indianern und dem weissen Mann, egal ob Engländern oder Franzosen, bei dem jeder über jeden unkontrolliert herfällt, der wird sich gewiss wohlfühlen. Viel Schnee, Kälte und unwirkliche Natur, ohne jeglichen Klimawandel, das kommt herüber.
Eine Gruppe von Männern, am Ende der Welt, verwüstet und metzelt Tiere nieder, da sie deren Felle braucht. Dieser Film ist am Anfang gewiss nichts für Ökotouristen. Kurz vor dem Ende ihrer Arbeit in der Kälte des Winters werden sie von Indianern überfallen.
Wer noch die alten Winnetou Filme kennt und weiss, wie es aussieht, wenn der Cowboy von einem Pfeil getroffen oder der Indianer durch eine Kugel erschossen wird, der erkennt hier sofort, das Töten und Sterben wurde optisch deutlich aufgewertet.
Töten und Sterben als kameratechnisch visuelles Wunderwerk. Bei „The Renevant“ wird man nicht nur einfach getroffen oder verletzt. Hier durchschlägt der Pfeil, unterstützt von einem Dolby 7.1 Sourround System – man hat zeitweise den Eindruck, selber getroffen zu werden – den Hals, Kopf, Brustkorb und man ist erstaunt, über wie viel Blut der menschlichen Körper verfügt. Sogar für die Kameralinse reicht es noch, die jetzt mit Blutstropfen besprenkelt ist. Hier hat man beim Aufschlagen des Pfeils den Eindruck, eine Panzerfaust trifft auf sein Ziel. Eine Kugel schlägt nicht nur in den Körper, nein sie zerfetzt gleich alles, was sich ihr in den Weg stellt. Der Gewehrkolben im Gesicht gibt nicht nur einen blauen Fleck, nein, Wangenknochen können auch zersplittern.
Nachdem der Gruppe unter hohen Verlusten die anfängliche Flucht auf einem Boot gelungen ist, wollen sie anschliessend zu Fuss zum Fort aufmachen. Dabei wird Leonardo, abseits der Gruppe, von einer Bärenmutter mit zwei Jungen angegriffen und wie eine Zwiebel regelrecht geschält und zerlegt. Wer einen Zwiebelhacker kennt, der weiss, wie er am Ende aussieht. Das kommt rüber….. die Atmosphäre, in den Sekunden bevor sie beide aufeinander treffen und wie ihn die Bärenmutter attackiert – mit Krallen, Zähnen und allem, was ihr Körper an Möglichkeiten hergibt. Leonardo liegt da wie ein Automechaniker unter der Hebebühne, die mit einem Kleinlaster auf ihn heruntergefallen ist. Diese Szene ist – neben den Naturaufnahmen – wirklich eindrücklich. Wie die Bärin auf ihm liegt, als ob Cindy aus Marzahn über einen herüberrollt. Mann beginnt automatisch als Zuschauer mit der Schnappatmung.
Schwerst verletzt wird er von den anderen gefunden. An dieser Stelle denkt man, dass für Leonardo der Film zu Ende ist und das gerade einmal nach 20 Minuten. Was selbst in einem hochmodernen Krankenhaus mit seiner Intensivstation unmöglich ist, und wo sich jeder Mediziner der Schwarzwald Klinik aus dem Fenster stürzen würde, in diesem Streifen näht man zusammen, was zusammen gehört.
Es folgen etliche Szenen, die einen die raue Natur des Winters eindrücklich spüren lassen. Schauspielerisch wurde hier mit einem Minimum an Statisten gearbeitet. Von den Dialogen, wenn es denn welche gibt, darf man sich keine Erklärung zur Teilchenphysik erhoffen. Leonardo selbst hat so gut wie gar keine Sprechrolle, da er schwerstverletzt bis zum Ende kaum noch etwas sagen muss. Kameratechnisch gilt für den Zuschauer – mittendrin ist auch dabei.
Da es hier, wie immer, auch um Rache geht – sein indianischer Sohn wurde zwischenzeitlich getötet – macht er sich jetzt auf, den Mörder am Ende des Films zu stellen. Bis dahin sind es lange, ja teilweise trotz dieser rauen Naturdokumentation, endlose 156 Minuten, zumal drehbuchmässig fast alles vorhersehbar ist. Schneidet man die Sequenzen mit den Schauspielern heraus, könnte es eine tolle BBC Dokumentation ergeben.
Kein Film, um ihn ein zweites mal anzuschauen oder ihn sich später für das Heimkino zuzulegen.
Erkennbar ist, dass es unter solch klimatischen Bedingungen einen Film zu drehen, gewiss eine persönliche und körperliche Leistung ist. So handelt es sich für Leonardo und alle anderen Schauspieler, aufgrund der physischen Leistungen und Entbehrungen während des Drehs, mehr um die Überwindung eines inneren „Schweinehundes“, also eine Reise in sein innerstes selbst, als darum, ein filmtechnisches Meisterwerk abgeliefert zu haben.
Warum es dafür einen Oscar für die schauspielerische Leistung, mit einer spartanischen Sprechrolle, geben soll, erschliesst sich dem Zuschauer nicht.
Filmkritik “THE REVENANT”
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