Alle Welt spottet, lacht und fasst sich nur noch an den Kopf wegen des
Berliner Flughafens. Dabei besteht kein Grund zur Schadenfreude, denn es
könnte jedem von uns im Kleinen genauso ergehen. Auch all die
versenkten Milliarden an Steuergeldern sind keineswegs verloren.
Haufenweise Menschen fanden über Jahre hinweg dort eine Beschäftigung,
weil sie nichts Besseres zu tun hatten.
Wie viele Ehen wären wohl gescheitert, wenn all diese Männer permanent
zu Hause geblieben wären, anstatt regelmässig ausserhalb zu arbeiten?
Du möchtest Hauseigentümer werden? Wie man das am einfachsten anstellt?
Genau, Du holst Dir ein paar gute Freunde ins Haus, die Dir bei der
Planung helfen sollen. Der eine arbeitet im Cabaret, der andere in einer
Käserei, der nächste ist Puppenspieler und einer ist Automechaniker.
Vielleicht krallst Du Dir noch ein paar wildfremde Menschen, die Dir
gerade so über den Weg laufen oder die Du soeben in der Strassenbahn
kennengelernt hast. Auch ein Besuch in einem Asylantenheim kann sich
lohnen; dort findet man ohne weiteres arbeitswillige Mitarbeiter für
wenig Geld, falls man sie überhaupt bezahlene muss.
Ob Du sie
als Subunternehmer aus dem Ostblock anheuerst und keine Sozialabgaben
zahlst oder bei Deiner Tante Waltraut um die Ecke aufliest, wo sie vor
sich hindämmern, das bleibt sich gleich.
Mit Deinen guten Kumpels
planst Du also den Hausbau. Je mehr Bier an dem Abend fliesst, desto
einfacher sprudeln die Ideen. Und weil alle so viel Ahnung davon haben,
dauert es nicht lange und schon ist die Villa Kunterbunt
planungstechnisch fertig.
Zum Schluss beauftragst Du Deine 7jährige
Tochter ein Bild mit ihren Bundstiften zu malen, als Bauplan und
Grundlage, was wohin gehört. Tja, und dann könnte es eigentlich
losgehen.
Leider kostet das Haus 500 000 Euro, und da Du nur
2000 für die Tür hast, holst Du Dir einen Kredit bei der Bank. Die haben
immer Geld, und Deine Eltern mit ihrem mühsam ersparten Einfamilienhaus
treten als Bürgen auf.
So hast Du also schon einmal keinen
finanziellen Druck, der Dich belasten könnte und in Deiner Kreativität
einschränkt. Dein guter Freund Gerhard soll die Bauaufsicht leiten und
alles organisieren.
Er ist seit 10 Jahren arbeitslos, verfügt
demnach über genügend Zeit und hat es durch seine ständigen Besuche beim
Arbeitsamt immer mit Menschen zu tun. Er verfügt also über
Sozialkompetenz und weil er sich regelmässig erfolglos vorstellt, auch
genügend Ausdauer um dieses Projekt zum Laufen zu kriegen. Das sollte
eigentlich reichen, um die vier Wände ruck zuck hochzuziehen. Zum
Schluss gehst Du noch unter die Brücke einen Obdachlosen suchen, der
parallel als zweiter Mann die Bauaufsicht übernimmt, um sicher zu gehen,
dass Deinem Kumpel Gerhard auch ja kein Fehler unterläuft.
So
werden Häuser gebaut, jetzt kann es losgehen. Alle schauen auf die
Zeichnung Deiner Tochter, die mit viel Liebe zum Detail die
verschiedenen Zimmer orange, pink, grün und rot etc. eingezeichnet hat.
Genaue Massangaben braucht es keine; über den Daumen gemessen kommt das
schon hin. Also legen alle los, jeder für sich, denn Individualität ist
das oberste Gebot. Man muss dann auch weniger Rücksicht auf den anderen
nehmen. Kooperation schafft nur Probleme und blockiert.
Es dauert
nicht lange und der Keller steht, das Erdgeschoss wurde ebenfalls
errichtet und stramm geht es in das erste Stockwerk.
Jetzt
treten erste Probleme auf, denn die Steine aus dem Erdgeschoss wurden
versehentlich im Keller eingebaut. Die Fliessen vom Badezimmer zieren
gerade die Wandverkleidung im Hobbyraum, der im Keller liegt. Ausserdem
haben sie vergessen, Elektrokabel und Wasserleitungen zu verlegen, weil
jeder dachte, der andere macht es schon.
Statt der Wendeltreppe
haben sich Leitern aus Aluminium etabliert, denn das Holz für die Treppe
ist als Deckenverkleidung im Keller verwurstet worden. Für Gerhard, der
ja alles geleitet hat, ist die Sache unverständlich, er hatte bisher
alles unter Kontrolle und kann das gar nicht verstehen.
Der
Obdachlose, ebenfalls verantwortlich für die Bauaufsicht, versteht die
Welt nicht mehr. Er hat so viele Papphütten in seinem Leben gebaut, dass
er sich gar nicht erklären kann, was da schiefgelaufen ist.
Während jeder von uns jetzt einem Herzinfarkt nahe wäre, siehst Du als
Bauherr es gelassen. Wie gut, dass Deine Eltern gebürgt haben. Kein
Grund zur Panik. Du braucht halt noch einmal 50 000 Euro, weil Du
Material nachkaufen muss. Deinen Eltern sagst Du, dass die Preise
gestiegen seien, und diese willigen natürlich sofort ein, denn auch wenn
noch nicht einmal das Erdgeschoss richtig fertig ist und die erste
Etage mehr Stützpfeiler hat als in Brasilien Bäume stehen, sieht es doch
vielversprechend aus und kann bis zur Vollendung nicht mehr lange
dauern.
Kaum ist das Geld da, stürzen sich wieder alle
tumultartig und unkontrolliert auf den Rohbau, und siehe da, schnell ist
die erste Etage abgeschlossen. Eigentlich sollte dann das Dach drauf,
aber Du hast es Dir anders überlegt, Du hättest gerne noch ein zweites
Stockwerk. Deinen Eltern machst Du es schmackhaft, indem Du ihnen
erzählst, wie schön es wäre, wenn sie dort einziehen könnten. Deswegen
die zweite Etage. Sie sind natürlich ganz begeistert, vor allem als sie
noch einmal dafür 150 000 Euro locker machen müssen und ihr bereits
abbezahltes Haus, in dem sie seit 30 Jahren wohnen, mit immer mehr
Kredit beleihen dürfen.
Sofort setzt sich Deine 7jährige
Tochter erneut hin um einen Ergänzungsbauplan zu Papier zu bringen.
Diesmal mit Fingerfarbe aus China, die leuchtet auch im Dunkeln. Da es
ja leider keine Elektrizität gibt, müssen alle bei Kerzenschein in der
Finsternis arbeiten. Das sieht von aussen wie in einer Kirche aus,
romantisch und besinnlich, und alle Nachbarn haben Freude daran.
Diesmal, bei dem unerwarteten Anbau, besprichst Du den weiteren Verlauf
aber nicht mit Deinen Freunden, sondern machst alles in Eigenregie, weil
ausser Dir niemand versteht, worum es Dir eigentlich geht.
Schnell ist auch der zweite Stock drauf und das Dach folgt. Da es kein
Geld mehr für Dachziegel gibt, muss Plastikfolie erst einmal reichen.
Dabei hat sich Teichfolie besonders bewährt. Wenn allerdings Deine
Nachbarn das wüssten! Sie haben allesamt innerhalb einer Woche ihre
Teiche entleert vorgefunden – ohne Folie.
Nun hast Du auch
endlich einmal die Zeit, eine komplette Hausbesichtigung zu machen. Mit
gelassener Gleichgültigkeit stellst Du also fest, dass es sich immer
noch um einen Rohbau handelt, kein Teppich, keine Türen und fliessend
kaltes Wasser nur vom Dach, das durch die Teichfolie bis hinunter in den
Keller fliesst. Alles kein Problem für Dich, schliesslich haben in den
zwei Jahren alle ihr Bestes gegeben, um voranzukommen, und es sieht tip
top aus.
Die Frage, wann Du denn fertig werden möchtest, kannst Du
nicht beantworten, da Du den Zeitplan seiner Freunde nicht kennst. Wie
Du verhindern möchtest, dass weiteres Wasser von oben eindringt, ist
Dir schon klar. Du wirst den Hersteller der Teichfolie verklagen.
Wie schlimm es wirklich um Dein Bauwerk steht wird Dir aber erst
bewusst, als die Zeitung einen Artikel über diese Bauruine in der
Nachbarschaft schreibt. Deinen Eltern erzählst Du, sie könnten demnächst
einziehen. Worauf Dein Vater nach drei Jahren fragt, was Du unter
demnächst verstündest?
Jetzt fühlst Du Dich aber persönlich
angegriffen und attackiert. Du magst nicht mehr. Soviel Druck und
Widerstand von der eigenen Familie, das hättest Du niemals erwartet.
Deine Freunde haben Dich mittlerweile auch im Stich gelassen und
überhaupt fragst Du Dich, wofür dieser ganze Aufwand? Da alles zu 50%
fertig ist, siehst Du Deine Aufgabe als erledigt an. Sollen doch andere
den Rest machen.
Du wolltest schon immer mal in der Normandie einen
alten Bunker am Strand um- und ausbauen. Problematisch ist der viele
Sand, aber davon willst Du Dich nicht unterkriegen lassen.
Dein Günter